“Du hast mir schlechte Gefühle gemacht!” – Die Jogginghose der emotionalen Selbstbestimmung
Er ist noch da – der Mythos der fremdbestimmten Gefühle…
Die Lagerfeldsche Jogginghose des Gefühls?
Ich zucke immer wieder verschreckt zusammen, wenn ich Fragen wie “was hat das mit Dir gemacht?” oder Aussagen à la “Du hast mich ganz traurig gemacht …” oder “… das gibt Dir ein gutes Gefühl!” höre. Und jedes Mal fällt mir dann der legendäre Ausspruch der Mode-Ikone Karl Lagerfeld ein …
“Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren”
Karl Lagerfeld
Denn ich frage mich: was ist der Unterschied zwischen der Lagerfeldschen Jogginghose und der Annahme, dass etwas oder jemand meine Gefühle bestimmen kann?
Wenn etwas oder jemand etwas mit meinen Gefühlen “machen” kann, habe ich dann nicht die Selbstbestimmung über meine Emotionen, meine Gefühle verloren?
Deine Gefühle gehören Dir – überlasse sie niemandem anderen!
Ich kann fröhlich oder traurig SEIN, aber niemand kann mich fröhlich oder traurig MACHEN. Jemand kann versuchen mich aufzuheitern oder zu betrüben – ob es funktioniert und ich dann fröhlich oder traurig bin liegt bei mir!
Taibi Kahler hat das als die 4 Mythen beschrieben:
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- “Du kannst mir ein gutes Gefühl machen”
- “Du kannst mir ein schlechtes Gefühl machen”
- “ich kann Dir ein gutes Gefühl machen”
- “ich kann Dir ein schlechtes Gefühl machen”
Alles beginnt mit meiner Einstellung zu mir
Die Einstellung zu uns selbst und zu anderen hat großen Einfluss darauf, wie wir auf Aussagen und Verhalten reagieren und fühlen werden.
Wenn ich mir selber sage, dass ich nur in Ordnung bin, wenn ich es anderen recht mache, dann werde ich zulassen, dass andere mir “mir ein gutes Gefühl machen” können. Wenn mich selber nicht OK finde, dann lade ich andere geradezu dazu ein mir “ein schlechtes Gefühl machen” zu dürfen. Im Zweifel gebe ich immer nach, nur um Frieden zu bewahren.
Wenn ich der festen Überzeugung bin, dass ich andere perfekt und stark machen kann, dann werde ich versuchen Sie mit ungefragten Ratschlägen zu “retten”, in der Überzeugung, dass ich ihnen “ein gutes Gefühl machen” kann.
Wenn ich andere für verantwortungslos und unengagiert halte, dann werde ich versuchen, sie dazu zu bringen, dass sie sich “schlecht fühlen”, um zu bekommen, was ich will.
Was ist Ihre Erfahrung?
Welche Situationen laden (Sie?) dazu ein, selbst den Mythos zu glauben, dass andere Sie dazu bringen können, sich schlecht zu fühlen?
Was können Sie heute ändern, um die Kontrolle über Ihre Gefühle und Ihr Verhalten zurückzugewinnen?
Seht mich nicht so bedauernd an – Alleinsein ist für mich ein Geschenk!
… über die Nettigkeit einer unartigen Idee
Ob geschenktes “Alleinsein” nett oder unartig ist beurteilt der Beschenkte
“Was schenken wir Papa zu Geburtstag?” – “Wir lassen ihn allein und gehen aus!”
Bevor mich jetzt eine Welle der Empörung, des Mitgefühls oder gar Mitleids überrollt, möchte ich klarstellen: “Ich bin meinem Sohn sehr dankbar, dass er meine Bedürfnisse so pragmatisch auf den Punkt gebracht hat!“
Ja, richtig gelesen – was für viele möglicherweise die unartige Idee eines pubertierenden Teenagers wäre, ist für mich eine super nette Geschenkidee. Und ob ein Geschenk gefällt oder nicht gefällt, liegt immer noch im Auge des Beschenkten.
Alleinsein ist keine asoziale Marotte
Der Volksmund weiß: “Der Mensch ist ein soziales Wesen!”. Spannend wird es bei der Frage: wie viele Menschen braucht ein Mensch um “sozial” zu sein? Brauche ich eine Gruppe um mich, oder reicht ein Mensch? Und sollten es immer die gleichen Gruppen und Menschen sein, oder wie häufig darf/sollte ich wechseln? Kann man “sozial” sein, auch wenn man gerne “allein” ist?
Der amerikanische Psychologe Dr. Taibi Kahler hat bei seiner Entwicklung des Process Communication Model® (u.a. auch in Zusammenarbeit mit der NASA) ermittelt, dass die Mehrheit der Menschen Gruppen bevorzugen, ein Drittel am liebsten nur mit höchstens 1–2 weiteren Personen zusammen sind, und jede*r Zehnte gerne alleine ist. Ich persönlich bewege mich irgendwo in dem Feld zwischen dem Drittel und dem Zehntel.
Alleinsein ist nicht einsam sein
Das bedeutet aber nicht, dass 10% lieber allein auf einer einsamen Insel oder auf einer abgelegenen Alm in den Bergen leben möchten. Es bedeutet, dass Lebensqualität in der Möglichkeit selbstbestimmten Rückzugs besteht.
Ich könnte kein Trainer und Berater sein wenn ich keine Menschen ertragen könnte. Und doch habe ich seit jeher mein Einzelbüro sehr geschätzt – Großraumbüros ohne Rückzugsmöglichkeit wären mein Horror. Ich vermeide es, mich längere Zeit in Gedränge zu bewegen – bin aber definitiv nicht klaustrophob. Bei Konzerten werden Sie mich nicht im ‘Front of House’ vor der Bühne finden – ich habe einen (Sitz-)Platz am Rand. Ich sitze lieber mit ein oder zwei Freunden am Tresen im Eck, als mit Leuten ‘um die Häuser’ zu ziehen. Ich mag es allein im Café oder in der Kneipe zu sitzen, Menschen zu beobachten und meine Gedanken wandern zu lassen. Bei Feiern, Festen und Empfängen können Sie mich häufiger auch allein und abseits stehend sehen – manchmal gedankenverloren, manchmal einfach nur beobachtend.
Wenn Sie also demnächst das Gefühl haben einen “einsamen” Menschen zu sehen und Sie das Bedürfnis überfällt ihn/sie in Ihre Gruppe zu holen – fragen Sie sich erst:
Dieser Mensch steht dort allein – aber sieht er wirklich traurig dabei aus?
Mein Tipp: Sollte Ihre Antwort kein eindeutiges JA! sein, seien Sie behutsam mit Ihrem Angebot und nehmen Sie es nicht persönlich, wenn Ihre Einladung abgelehnt wird.
Wenn Alleinsein ein Bedürfnis ist
Vermutlich kennt jeder mal den Wunsch nach Alleinsein. Die Frage ist dabei – was ist der Zweck der hinter diesem Wunsch steckt? Ist es, weil Sie endlich mal Ruhe brauchen von der nervigen Familie? Oder weg von den frustrierten Kolleginnen und Kollegen, um einfach nur “runter zu kommen” und einfach nur “Ihr Ding” zu machen? Selbstbestimmt, weil Sie die anderen gerade nicht sehen mögen?
Oder ist es das ungestörte wandern lassen der Gedanken, die inneren Bilder? Und gibt Ihnen das mehr als eine Beruhigung der Nerven, sondern tankt Ihre Batterien wieder auf?
Sie sind sich nicht ganz sicher? Dann wählen Sie Ihre Antwort für folgendes Szenario:
Stellen Sie sich vor Sie sind in den Bergen. Sie erreichen eine einsame Hütte, davor eine bequeme Bank, unterhalb der Hütte ein kristallklarer See und dahinter ein atemberaubendes Bergpanorama.
Wie lange könnten Sie es allein an dieser Hütte aushalten? 10 Minuten? 30 Minuten? 1 Stunde? 3 Stunden? 1 Tag? mehrere Tage? 1 Woche? …
Meine Antwort ist: mindestens 1 Woche! Nicht weil ich so gestresst bin, sondern weil ich spüre, wie das Alleinsein (engl. solitude) meine Batterien mit auflädt. Ähnlich verhält es sich bei mir auch bei den bereits genannten “größeren” Veranstaltungen – ein Moment des Rückzugs, des “innerlichen Alleinseins”, gibt mir die Energie um mich auch wieder “unters Volk zu mischen” und Spaß zu haben!
Es ist OK allein zu sein, wenn es einem gut tut!
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Meine Buchempfehlungen zum Thema:
‘Quiet’ von Susan Cain (Deutscher Titel: ‘Still’)
‘Seeing People Through’ von Nate Regier
Wenn Lehrer meine Augen nicht sehen … werde ich seltener dran genommen
Versuch einer Erklärung des Friseur-Lockdown-Phänomens …
Gestern hat mich mein Sohn mit einer frappierenden Erfahrung konfrontiert:
“Einen Vorteil hat es, dass ich nicht zum Friseur kann! Seit meine Haare so lang sind, dass meine Augen nicht mehr zu sehen sind, werde ich von den Lehrern nicht mehr so häufig ungewollt dran genommen!”
Mein Sohn ist Basis-Rebell … “Ja und? sind das nicht fast alle Teenager?” werden einige jetzt vielleicht sagen. Meine Antwort: Ja vermutlich! Aber was ich meine ist der Persönlichkeitstyp “Rebell” wie ihn der amerikanische Psychologe Dr. Taibi Kahler im Process Communication Model® (PCM) identifiziert hat.
Persönlichkeitstyp Rebell? Häh??
Wer den Persönlichkeitstyp des Rebellen als Basis seiner Persönlichkeitsarchitektur hat, hat für die Welt um sich herum sehr schnell ein “Bauchgefühl”. Egal ob Menschen, Dinge oder Situationen – der erste Eindruck zählt, und der ist beim Rebellen: “ich mag!” oder “ich mag nicht!”. Und zu diesem emotionalen Zug gesellen sich gerne Spontanität, Kreativität und die Fähigkeit spielerischer auf die Welt zuzugehen. Auch im Kontakt darf es gerne “easy” zugehen. Im Gegenteil, fehlt in einer Situation für lange Zeit auch mal eine “lockere” Komponente, dann wird das für den “Rebellen” zum echten “Energiezieher”. Und wenn die Energie fehlt, dann ist Stress nicht weit. Die Stresskaskade des “Rebellen” beginnt üblicherweise mit einem – ggf. nicht hörbaren, aber definitiv sichtbaren – “ich check gerade nichts mehr” – “Häh?”. Das ist nicht eine Frage des Intellekts – nein, bildlich gesprochen stellt sich der “Rebell” bei beginnendem Stressverhalten “selbst auf den Schlauch”. Und hier kommen ein Großteil der Lehrkräfte ins Spiel.
Zeigst Du mir Deinen Stress – zeigt ich Dir meinen Stress!
Es gehört eine gehörige Portion Selbstdisziplin dazu, um die eigenen Emotionen zu verbergen. Und so ist es das Schicksal der meisten “Rebellen”, dass man das “mag/mag nicht” und das stimmlose oder stimmhafte “Häh?” im Gesicht und vor allem an den Augen ablesen kann.
Nun lehrt uns die Statistik, dass der Anteil der “Rebellen” unter den Gymnasiallehrkräften nicht so hoch ist wie der “Rebellen”-Anteil in der Bevölkerung. Im Kollegium finden sich (quasi ‘qua Berufung’) vermehrt Basis-“Logiker”- und “Beharrer”-Persönlichkeitstypen, und die 2 Typen haben es nicht so mit der Emotion. Im Gegenteil: die Abneigung in den Augen oder gar das gestresste “Häh?” des “Rebellen” sind für sie die Einladung um in die eigene Stresskaskade einzusteigen – ein nicht nur in der Psychologie bekanntes Verhalten.
Wenn ich Deine Augen nicht sehe – bin ich weniger getriggert
Wir alle kennen vermutlich das Phänomen, dass sich die Vertreter des Lehrkörpers gerne mal auf immer die gleichen “Kandidaten einschwingen” – erlebt durch eigene “schmerzhafte” Erfahrung oder durch Beobachtung. Mein Sohn zumindest kennt dieses Phänomen gut und weiß, was es heißt, wenn man immer dann aufgerufen wird, wenn man am offensichtlichsten nichts weiß…
Warum also nimmt die Häufigkeit dieser unerquicklichen Aufrufe ab, wenn die ungebändigte Haarpracht (Corona-Lockdown bedingt) die Augen verdeckt?
Ich wage also die Annahme, dass eine Lehrkraft, mit ausgeprägtem Logiker/Beharrer-Persönlichkeitstyp, weniger durch die Verhaltensmuster des “Rebellen”-Typs ‘getriggert’ wird, wenn sie die Augen des “Rebellen” nicht sehen kann und damit mehr aus dem Fokus gerät.
… OK … steile These, aber denkbar!
Mehr zu PCM und Termine für Workshops und Seminare – hier auf dieser Website unter Methoden → PCM Process Communication Model®
Hat Ihnen meine These gefallen? Haben Sie eigene Beobachtungen?
Im Kommentar ist Platz dafür …