Konflikt­re­si­lienz kann man trainieren

Dieser Artikel ist erschienen auf der Platt­form ‘Computer&Automation 12/2022

Die (Ohn)Macht von Kartof­fel­brei, Tomaten­suppe und Sekundenkleber

Ärger, Zorn

Wenn Drama Drama schafft

Gute Absicht – unbeab­sich­tigte Konsequenzen …

Seit einigen Monaten sorgen Klima­ak­ti­visten für Schlag­zeilen, in dem sie sich auf Straßen und an Objekten festkleben und mit Lebens­mit­teln und Farbe Objekte bewerfen. Ich bin mir sicher, dass mediale Aufmerk­sam­keit ist eine gute Grund­lage ist, wenn ich ein Thema in den Fokus rücken möchte. Das mediale Echo und viele Stimmen derer, die von den Auswir­kungen der Aktionen betroffen sind – oder betroffen fühlen, bewegt sich nach meinen Beobach­tungen zwischen Fassungs­lo­sig­keit, Ratlo­sig­keit, Empörung bis Wut. Die Anzahl der Stimmen die Verständnis, Zustim­mung, Recht­fer­ti­gung und Unter­stüt­zung für diese Aktionen äußern scheint überschaubar zu sein. Was läuft da schief? Sabotiert sich hier eine gut meinende Initia­tive gerade selbst?

Hallo ich bin Ihr Retter und Verfolger … sind Sie mein Opfer?

Ausgangs­punkt eines Konflikts ist “… die Kluft zwischen dem, was du willst, und dem, was du erlebst” [Nate Regier]. Das Angst vor dem was der Klima­wandel auslösen könnte und dem was nach der eigenen Wahrneh­mung getan wird um dies zu verhin­dern, bietet da sicher genügend Poten­zial.
Seit Stephen Karpmans Entde­ckung des Drama­drei­ecks ist klar, dass es in der Natur des Menschen liegt, in Konflikten und Stress in angelegte, trainierte und (zumin­dest gefühlt) bewährte Haltungen und Verhal­tens­rollen zu verfallen. Bei den Klima­ak­ti­visten erleben wir die Drama­rollen des Retters und Verfol­gers. Die Retter-Rolle will belehren, damit (endlich) begriffen wird, wie wichtig die gefor­derten Maßnahmen sind – und nur wer “begreift”, ist aus Sicht dieser Rolle OK. Die Verfolger-Rolle (ihr seid nicht OK!) richtet sich gegen all jene, die die gefor­derten Maßnahmen nicht umsetzen.
Retter und Verfolger erwarten, dass sich ihre Zielgruppen “gefäl­ligst” in ihre Opfer-Rollen fügen und entspre­chend verhalten sollen. Und mit dieser Annahme, die Macht zu haben anderen ein “gutes oder schlechtes Gefühl zu machen”, damit beginnt das Dilemma.

Mein Konflikt ist wichtiger als Dein Konflikt

Ziel der klebenden Straßen­blo­ckaden, der Tomaten­soßen- und Kartof­fel­brei­ak­tionen sollen die Aufmerk­sam­keit auf das Thema der Klima­pro­ble­matik lenken. Die Konflikte der Klima­ak­ti­visten sind: “Es ist 5 nach 12”, “es wird zu wenig unter­nommen” und “wir wissen passieren muss, aber auf uns hört niemand”. Das Problem ist, dass sich der Zusam­men­hang zwischen Verkehrs­stau und Sachbe­schä­di­gung einer­seits und mangelnde Maßnahmen gegen den Klima­wandel ander­seits, nur wenigen Menschen direkt erschließt. Anstatt Bewusst­sein zu schaffen werden bei den Adress­saten ganz andere Konflikte erzeugt – “… ich verpasse meinen wichtigen Termin”, “… ich komme zu spät zur Arbeit”, “… die bringen Menschen in Gefahr …”, “… ein kurzfris­tiger Ausstieg aus fossilen Brenn­stoffen gefährdet meinen Lebens­stan­dard …”, “… es werden meine (kultu­rellen) Werte angegriffen”, “… was kann Kunst dafür? …”.
Stellt sich also die Frage, für wen welcher Konflikt Priorität hat.

Wandel braucht Strategie, Mindset und ratio­nales Handeln

Im Stress und in negativen Konflikten stellt sich unser Körper und Gehirn (seit tausenden von Jahren) auf “Überle­bens­modus” um: ratio­nales Denken wird reduziert und “Fight, Flight, Freeze”-Handeln übernehmen die Führung. Denkbar schlechte Voraus­set­zungen, wenn man nicht nur kurzfristig überleben, sondern langfristig Verän­de­rungen schaffen will. Wer hofft, den eigenen Konflikt mit der Situa­tion, durch ohnmäch­tige Erpres­sung oder Zwang zu lösen zu können, kann vielleicht einen kurzfris­tigen Erfolg erzielen, dauer­haft wird es ohne Compas­sion, Verant­wor­tung und Verläss­lich­keit nicht funktio­nieren. Wer überzeugen will, muss “auf Augen­höhe” mit seinen Mitmen­schen agieren, muss bereit sein in die “Schuhe der Anderen” zu steigen, bereit sein gemeinsam um die beste Lösung zu ringen. Dann gibt es ein Poten­zial für positive Konflikt­lö­sungen, Mindset-Änderungen und nachhal­tigen Wandel.

Konflikt­kom­pe­tenz – “Mindset meets Methode”

Mindset vs Methods

Nachhal­tige Konflikt­lö­sungen beginnen im Kopf

Konflikt­kom­pe­tenz – “gibt es da nicht was von Ratiopharm?”

Ich bin immer wieder überrascht, wenn sich Inter­es­senten mit der Frage melden: “Wir haben in unserem Unter­nehmen gerade massive Probleme mit Konflikten – können Sie uns einen eintä­gigen Workshop anbieten?”. Zum einen – wenn Konflikt­kom­pe­tenz in einem Einta­ges­work­shop “erworben” werden könnte, warum haben Sie es nicht schon früher gebucht, da hätte man sich den ganzen aktuellen Ärger sparen können?!
Wenn ich tatsäch­lich das “One-Day-Conflict-Wonder” garan­tieren könnte – warum rennen mir nicht alle die “Bude” ein?
Sie merken schon – meine Erfah­rung als Trainer und Berater haben mich darin bestä­tigt, dass es nachhal­tige Konflikt­lö­sungen und Konflikt­kom­pe­tenz nicht einfach nur per Rezept gibt. Zur Konflikt­lö­sung gehört mehr als einfach nur die Anwen­dung einer Methode – das richtige Mindset ist ein entschei­dender Faktor!

Konflikt ist nicht erst wenn es knallt

Betrachten wir Konflikte und ihre Entwick­lungs­stufen nach dem Modell von Fried­rich Glasl, dann gibt es 3 Phasen (mit je 3 Stufen) die von “win-win”, über “win-lose” zu “lose-lose” eskalieren. Bedau­er­li­cher­weise werden Konflikte oftmals erst dann als solche gesehen und bezeichnet, wenn die Schwelle zu “win-lose” fast erreicht oder sogar schon überschritten ist. Welche Auswir­kungen und Kosten das für die Lösung der Konflikte, das “zwischen­mensch­liche Klima” und die Produk­ti­vität hat, damit haben sich Studien von Gallup, KMPG und anderen einge­hend beschäf­tigt. Allein für die USA hat Gallup (2013) einen Verlust von 350 Milli­arden US$ pro Jahr veran­schlagt. Da bekommen Defini­tionen von Ken Blanchard – “A problem only exists if there is a diffe­rence between what is actually happe­ning and what you desire to be happe­ning.” – und

Conflict is the gap between what you want and what you are experi­en­cing
- Nate Regier

eine neue Dimen­sion. Konflikte sind unser ständiger Begleiter, und ungelöst nicht erst ein Problem, wenn sie als offener Streit sichtbar werden. Konflikt­kom­pe­tenz und Konflikt­lö­sung kann nicht früh genug ansetzen.

Konflikt­kom­pe­tenz beginnt mit Kopf und Herz

Die beste Konflikt­lö­sungs­me­thode tritt zu kurz, wenn sie nicht vom notwen­digen Mindset begleitet wird. Wie gut ist ein Kompro­miss, bei dem ich mich auf der Mitte zwischen 2 Positionen treffe, im Vergleich zum Ergebnis eines gemein­samen Ringens um “das Beste aus 2 Welten”?  Wie nachhaltig ist der Verzicht auf die eigene Lösung – nur um “des lieben Friedens willen”? Welches Engage­ment kann ich noch erwarten, wenn ich meine Vorstel­lung gegen den Wider­stand der anderen durch­ge­drückt habe?
Konflikte nachhaltig zu lösen, setzt die Bereit­schaft voraus, im besten Sinne mitein­ander um die beste Lösung zu ringen – oder anders formu­liert: auf Augen­höhe mitein­ader zu streiten! Die Grund­lage für ein solches “Mitein­ander” ist ein Mindset der Wertschät­zung, des Zutrauens und des Vertrauens – veran­kert in Kopf und Herz.

Konflikt-Verstärker! Wer solche Freunde hat braucht keine Feinde

Drama (Konflikt) Verstärker

… wie man mit “Freunden” Konflikt am Köcheln hält

Solange irgendwer ’nicht OK’ ist – haben wir Drama

Es ist echt ein Drama mit dem Drama. Seit Stephen Karpman vor mehr als 50 Jahren die “Spiel­re­geln” im Drama­dreieck entdeckte wissen wir, dass zu einem negativen Konflikt­sze­nario (Drama) mindesten eine Person gehört, die ’nicht OK’ ist. Entweder weil die*der Betref­fende sich selbst in der Opfer-Rolle als ’nicht OK’ sieht, oder weil ein “Verfolger” das “Opfer” als ’nicht OK’ empfindet, oder ein “Retter” der Überzeu­gung ist, dass das auser­ko­rene Opfer ’nicht OK’ ist, wenn es den Ratschlag/das Rettungs­an­gebot nicht annimmt. In jedem Fall ist aber sicher, dass das Drama “köchelt”, solange sich noch Betei­ligte in ihren Drama-Rollen ausleben.

Gleich-und-Gleich kriegen den Konflikt auch nicht gelöst!

Nach der Volks­weis­heit, dass “geteiltes Leid gleich halbes Leid” sei, könnte man vielleicht annehmen, dass sich auch das “nicht-OK Dasein” zu zweit leichter ertragen ließe. Weit gefehlt!
Wenn uns in unserem ‘Ich bin nicht OK’ Selbst­mit­leid eine weitere “Opfer-Rolle” zur Seite steht, dann hilft das bei der Konflikt­lö­sung nicht weiter. Anstatt aus dem Drama-Verhalten heraus zu treten, gibt es dann (sinnlo­ser­weise) 2 “Opfer”, die gemeinsam ihr Schicksal beklagen und sich gegen­seitig in ihrem Elend bestä­tigen und stärken.
Sollten wir gerade im “Verfolger-Modus” sein und es gesellt sich ein weiterer Verfolger dazu, dann bestärken wir 2 uns gegen­seitig in der Recht­mä­ßig­keit ihrer unguten Haltung und “hetzen” dann gemeinsam unsere “Du bist nicht OK” Opfer.
Und auch ungefragte Ratschläge – die gefäl­ligst zu befolgen sind(!) – werden “im Doppel­pack” nicht besser, sondern sind nur eine Recht­fer­ti­gung für unpro­duk­tives Drama-Verhalten aus der “Retter-Ecke”.

“Bitte zeigt mir, dass ich nichts wert bin!”

Eine beson­ders tücki­sche Spielart von “Konflikt-Verstär­kung” funktio­niert mit “Freunden” die ich in eine andere Rolle im Drama­dreieck einlade und die das Spiel dann auch noch mitspielen. Wenn ich mich also gerade in meinem “Ich bin nicht OK” Elend befinde und das auch nach außen trage, dann lade ich mein Umfeld ein, mir ins Drama­dreieck zu folgen. Kommt dann ein “Freund”, um mir in aller­bester Verfolger-Manier zu bestä­tigen, was für ein “Depp” ich doch bin, oder es kommt ein “freund­schaft­li­cher Retter”, der mich darin bestärkt, dass ich ohne fremde Hilfe “verloren” bin, dann zieht mich das nur noch tiefer in die Selbst­zweifel. Sollte ich aber gerade in “Retter-Laune” sein und das Bedürfnis haben mal wieder zu zeigen, was für ein unabkömm­li­cher Held ich doch bin, dann suche ich mir – in aller Freund­schaft – ein “Opfer”, dass sich leicht in die “Ich bin nicht OK” Haltung begibt. Was kümmert mich der Frust der anderen, wenn ich gut aussehe?

Finger weg von der heißen Herdplatte

Egal wie wir es drehen – der Schritt zum Verlassen der Drama-Rolle, und damit der erste Schritt zur Konflikt­lö­sung, wird nicht leichter, wenn wir (schein­bare) Freunde an unserer Seite haben, die unser kontra­pro­duk­tives Drama-Verhalten teilen, verstärken oder bestä­tigen. Der Schmerz beim Fassen auf die heiße Herdplatte ist dazu da die Hand schnell wieder weg zu ziehen und so sollten wir es auch mit erkenn­barem Drama halten!

 #Leadin­gOu­tOf­Drama